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Silvester - Übergänge

Sonntag, 31. Dezember 2023


Alles Leben ist Wandel; nichts bleibt, wie es ist. An Tagen wie heute ist der Wandel nahezu greifbar: Ein neues Jahr steht vor der Tür! Und als erwach­sene, reife Menschen spüren wir, dass das Erleben des Jahres­wechsels umso besonderer wird, als die Gelegenheiten dazu in Anzahl Jahr für Jahr abneh­men. Ähnlich mag jeder Ein­zelne seinen Geburts­tag wahr­nehmen, wenn­gleich das kollek­tive Empfinden zu Sil­vester das bewusste Erleben eines bedeut­samen Über­gangs deutlich verstärkt.

Zu Beginn der Adventszeit habe ich an Oasen­tagen des Erz­bistums Köln teil­nehmen dürfen. 18 Reli­gions­lehrer/-innen, aktive und ehe­malige, sind zusammen­gekommen, um fern vom Alltag Übergänge im Leben zu reflek­tieren. Da gibt es die offen­sicht­lichen im Außen, z.B. in Schule und Beruf, über die viel gerungen und diskutiert wird; leiser und unauf­fälliger dagegen die Stufen unserer mensch­lichen Entwick­lung, z.B. von der Kind­heit zur Jugend, schließlich zum Erwach­sensein und dann zum Alter, Stufen, die in früherer Zeit durch Initia­tions­riten sicht­bar gemacht und gewürdigt wurden. Übrig geblie­ben sind zumindest in Kirchen­kreisen noch die verschie­denen Sakra­mente, die die Knoten­punkte des mensch­lichen Lebens markieren.

Und wenn man noch ein bisschen genauer hin­schaut, stellt man fest, dass uns Wandel – der Ein­gangs­aussage ent­sprechend – in unserem Leben auf Schritt und Tritt begleitet. Jeden Abend verab­schieden wir uns mit dem Zubett­gehen vom jeweiligen Tag, sterben also im Schlaf „einen kleinen Tod“, bevor wir mit dem Erwachen am nächsten Morgen eine neue Seite im Buch unseres Lebens auf­schlagen dürfen; die Jahres­zeiten wechseln einander ab und wir können unser eigenes Wachsen, Reifen und Ver­gehen an ihnen ablesen. Kinder werden geboren und ver­lassen das elter­liche Haus. Hier wie dort ein Gefühl von Wehmut über die Abschiede und Freude über das Werdende. Und schließ­lich als letzter großer Über­gang der Abschied von unserem Körper und mit ihm von allem, was die sicht­bare, mate­rielle Welt aus­macht hinein in den uns jetzt schon ver­heißenen weiten gött­lichen Raum unend­licher Liebe. Und Jesus toppt diesen Gedan­ken noch, indem er sogar unser gesamtes Leben als Über­gang bezeichnet: Werdet Vor­über­gehende (Logion 42, Thomas-Evangelium), sprich: Seid in dieser Welt, aber nicht von dieser Welt. Wisset, dass ihr ein anderes Zuhause habt.

Es schmerzt mich zutiefst, dass unser aller Leben einer solchen Hektik unter­liegt, die uns kaum Raum lässt für unsere eigene Bewusst-Werdung. Ja, in den meisten Fällen hinter­fragen wir sie ja nicht einmal, so sehr sind wir kondi­tioniert im Denken dieser Welt und oft habe ich den Eindruck, dass wir es auch gar nicht anders wollen – selbst wenn wir die Zeit dazu hätten.

Wie denkst du darüber? Hältst du von Zeit zu Zeit inne – viel­leicht heute am Silvester­tag –, um dir der wirk­lich kleinen Zeit­spanne, die wir in unserem Körper auf dieser Erde ver­bringen, bewusst zu werden? Um die unzäh­ligen Über­gänge, die Zeiten des Wandels, die Vergäng­lichkeit allen irdischen Seins zu spüren und dem Ewigen Raum zu geben, was darunter liegt und größer ist als all das?

Und vielleicht kann dich dieser Blog ermutigen, im neuen Jahr ganz bewusst einmal einen Ort der Stille, wie z.B. ein Kloster, aufzu­suchen, um über die räum­liche Distanz zu deinem All­tag viel­leicht unter Anlei­tung einen neuen frischen Zu­gang zu dir und deiner Bewusst-Werdung zu ermög­lichen – so wie ich die Oasen­tage noch vor wenigen Wochen habe erleben dürfen.

Mit der folgenden Weisheit des Rabbi Menachem Mendel Schneerson (er benutzt das Symbol der BRÜCKE als Binde­glied zwischen den Welten) möchte ich mich in diesem Jahr von euch verab­schieden. Ich wünsche euch von Herzen, dass ihr den Über­gang in das neue Jahr 2024 bewusst erlebt und dieses Bewusst-Sein ein kleines bisschen in jeden einzelnen Tag des neuen Jahres hinein­scheinen lasst.

Tiere blicken nicht zu den Sternen auf,
und Engel sind auf das Reich des Geistes beschränkt;
der Mensch jedoch ist Gottes Brücke
zwischen Himmel und Erde,
zwischen unendlichem Geist und endlicher Materie.


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