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Das Jetzt

Donnerstag, 10. November 2022


Es ist 4 frühmorgens. Mal wieder war die Nacht für mich kurz, da zu viele Gedanken in meinem Kopf herumschwirren. Mein Lebensgefährte hat seinen ersten Roman zum Thema Schule veröffentlicht, in den unser beider Erfahrungen eingeflossen sind. Viel (durchaus positive) Aufregung lässt mich nicht zur Ruhe kommen und stattdessen zum Laptop greifen. Das Ego lässt schön grüßen;-)

Dass zur Erreichung des inneren Friedens das Beobachten meiner eigenen Gedanken ein erster überaus hilfreicher Schritt sein kann, erfuhr ich 2016 während eines Klosterbesuchs im Benediktushof bei Würzburg. Ich hatte mich tatsächlich auf ein Schweigeretreat eingelassen – für mich als Lehrerin eine wirkliche Herausforderung. Schon damals litt ich unter Schlafstörungen und Kopfschmerzen und fühlte intuitiv, dass ich an die Wurzel meiner Beschwerden kommen wollte. Achtsamkeitsübungen, um den Kopf völlig leer von Gedanken zu bekommen, standen auf dem täglichen Programm, begleitet von pflanzlicher Ernährung zur Reinigung des Körpers. Ein wirklicher Kraftakt – obwohl der Körper sich „nur“ im Sitzen oder langsamen Gehen befand.

Eckhart Tolle schreibt, dass über 90% unserer Gedanken sich wiederholende sind, die wir innerlich immer wieder gebetsmühlenartig repetieren, ohne uns ihrer bewusst zu sein. Sie bringen uns entweder in unsere Vergangenheit und konfrontieren uns mit Wut, Schuld oder Rechtfertigung, oder aber lassen uns eine sorgenvolle Zukunft antizipieren. Allen diesen Gedanken gemein ist die Flucht vor dem gegenwärtigen Moment, dem Jetzt als dem einzigen Moment, den es gibt. Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass die lineare Zeit nichts anderes als ein Gedankenkonstrukt ist? Alle Zeit ist immer nur JETZT. Das, was wir heute Vergangenheit nennen, war einst auch das JETZT. Eine endlose Aneinanderreihung von JETZT-Momenten. Das, was wir heute Zukunft nennen, wird einst das JETZT sein – sofern es überhaupt eintritt.

Das JETZT erleben zu lernen ist eine wunderbare Gelegenheit, in den inneren Frieden zu gelangen. Die Vergangenheit ist vorbei und muss mich nicht mehr belasten – die Zukunft noch nicht da und wer weiß, ob sie überhaupt eintritt, so wie ich bisweilen befürchte. Der Friede dagegen erfüllt den Augenblick. Es ist nichts zu tun, einfach nur „sein“.

Offensichtlich gab es diese Problematik bereits vor 2000 Jahren, denn auch Jesus äußert sich mehrfach in wunderbar bildhafter Weise dazu:

Lk 9,62: „Niemand, der seine Hand an den Pflug legt und zurückblickt, ist tauglich für das Reich Gottes.“

Mt 6,25-27: „Sorgt euch nicht um euer Leben (…). Seht die Vögel des Himmels an. Sie säen nicht und ernten nicht und sammeln nicht in Scheunen, und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. (…) Wer aber von euch kann durch seine Sorgen zu seiner Lebenslänge eine einzige Elle hinzusetzen?“

Ich denke nicht, dass Jesus uns hier auffordert, die Hände in den Schoß zu legen. Aber er ermutigt uns aus meiner Sicht, der Hektik unseres Lebens, auch unseres gedanklichen Lebens immer wieder und immer öfter zu entkommen und die Tiefe und damit Qualität des gegenwärtigen Augenblicks zu unserem eigenen Wohlbefinden und zur Balance von Körper, Seele und Geist zu suchen. Er selber fand dies in der Stille der Wüste.


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