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Denkmuster

Sonntag, 15. Januar 2023


Warum tun wir uns eigentlich so schwer, eine andere als unsere sonst übliche Sicht auf uns und die Welt einzunehmen? Irgendwie scheint uns etwas innezuwohnen, das uns signalisiert, dass wir das Bekannte - weil vielleicht sicherer - mehr schätzen als das Unbekannte. In meiner Heimat gilt: „Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht.“ Diese Haltung schränkt uns im Grunde ganz schön ein, verbaut sie uns doch neue Sichtweisen und damit andere, vielfältige Lebenswege. Kein Wunder, dass wir immer wieder die gleichen Erfahrungen machen, obwohl wir uns durchaus einen interessanteren Job, eine harmonischere Partnerschaft, eine stabilere finanzielle Situation herbeiwünschen.
Da dieser „Sog“ aus dem Unterbewusstsein weitestgehend ohne unser Zutun stattzufinden scheint, merken wir in der Mehrzahl der Fälle unser Eingefahrensein nicht einmal. Wir denken immer wieder in den gleichen gewohnten Bahnen, im Großen wie im Kleinen.

Ich möchte dir das durch zwei Beispiele veranschaulichen:
Was, glaubst du, denken Naturvölker über unsere sog. Zivilisation, über uns, die wir sie zumindest über lange Zeit hinweg als primitiv belächelt haben? Ich bin mir sicher, dass sie als Außenstehende die Art, wie wir leben, mit großer Befremdung wahrnehmen: welchen Wert wir auf Äußerlichkeiten legen, wie wir uns kleiden, welches Auto wir fahren, welches Haus wir bewohnen, welche Reisen wir machen, welchen Bildungsgrad wir erwerben, welche sonstigen Statussymbole wir stolz vor uns hertragen. Und wie unsere gesamte Gesellschaft in weiten Teilen auf für mich nicht nachvollziehbare Weise dem Mythos des ewigen Wirtschaftswachstums hinterherläuft und dabei zunehmend unseren Lebensraum und uns selbst zerstört. Wir zwängen uns in die verschiedensten Hamsterräder – von der Geburt bis zum Tod – und meinen allen Ernstes, die Situation sei nicht änderbar, sondern stattdessen naturgegeben, dass der Stress uns tagtäglich bis zur bitteren Neige im Nacken sitzt, nur um mithalten zu können und nicht außen vor zu sein. Welche Chancen könnten uns und unserer Gesellschaft erwachsen, würden wir doch endlich aufwachen und unsere selbstgemachten Gefängnisse überwinden? (Schau dir dazu, wenn du magst, den Zeichentrickklassiker „Leben in einer Schachtel“ auf Youtube an. Er zeigt in überzeichneter Form sehr deutlich auf, dass wir die Eigenverantwortung für unser Leben ganz offensichtlich weggegeben haben.)

Ein weiteres Beispiel: Die Katholische Kirche, der ich nach wie vor angehöre, schafft es nicht, über ihren Tellerrand zu schauen. Das, was jeder unbeteiligte Außenstehende auf den ersten Blick erkennt (ihr Machtgehabe, ihr Kreisen um sich selbst, ihre Entfernung vom Grundanliegen Jesu), bleibt ihr selbst verborgen – oder zumindest scheint es in weiten Teilen so. Welch großartige Chancen vertut sie gerade? Welch fantastische Möglichkeiten hätte sie, machte sie sich nur endlich zu (wirklich) neuen Ufern auf? (Der Synodale Weg wäre dabei aus meiner Sicht allerdings nur eine kleine Wegbereitung für ungleich größere notwendige Veränderungen auf der inhaltlichen Ebene des Glaubens und die Öffnung für die Vielfalt der Wege zu Gott.)

Tatsächlich geht es mir bei diesen Beispielen - so wichtig sie auf inhaltlicher Ebene auch sind - in erster Linie darum zu zeigen, wie festgefahren, wie unbewusst wir in unserem Denken sind. Unsere Ego-Persönlichkeit hat ganz augenscheinlich Angst, zu tief unter die Oberfläche unseres Lebens zu blicken und will lieber gar nicht wissen, was sie dort finden könnte. Stattdessen erzählt sie uns immer wieder die auf vergangenen Erfahrungen basierende Geschichte, die wir tagtäglich wiederholen, anstatt endlich neuen Wein in neue Schläuche zu füllen (Mt 9,17). „Erneuerung ist das ewige Geheimnis des Lebens“ (Chopra) oder Goethes „Stirb und werde!“ machen das Leben erst so richtig lebenswert und spannend. Jeder Tag ist im Grunde eine neue Welt. Entweder erfreuen wir uns am Wandel als Chance oder verurteilen uns selbst zu beschränktem Gewahrsein und zunehmendem Überdruss am eigenen Leben.
Wir dürfen wählen.


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Kommentare...

...von Adriana am 19.01.2023:

Hallo Susanne,
ich finde deinen Blog optisch sehr ansprechend gestaltet und gut zu bedienen!
Ich empfinde das Eingefahrensein nicht so stark. In einem gewissen Rahmen kann sich ja jeder verändern in die Richtung wie er möchte, und auch von anderen Kulturen/Nationalitäten etwas lernen oder übernehmen. Zum Beispiel sind die orientalischen oder südeuropäischen Kulturen herzlicher und beziehungsorientierter als die als kühl geltenden Deutschen. Das finde ich schon nachahmenswert.
Ich würde Naturvölker oder frühere Kulturen nicht belächeln, ich bewundere sie. Allerdings bin ich sehr glücklich über den medizinischen Fortschritt heutzutage und möchte nicht mit ihnen tauschen.
Das Enneagramm finde ich auch sehr interessant und habe schon meinen Typ gefunden, es könnte aber auch ein Gemisch sein.
Viele Grüße und ich bin gespannt auf deinen nächsten Blog!


Antwort von Susanne:

Liebe Adriana,
ich kann gut nachvollziehen, was du meinst. Auch ich genieße die sinnvollen Errungenschaften unserer Gesellschaft und ja, natürlich können wir von anderen Kulturen eine Menge lernen. Mein Anliegen ist es, auf die im Unterbewusstsein verborgen liegenden Denkmuster zu verweisen, die wir deshalb nicht ändern, weil wir sie erst gar nicht bemerken. In dem Moment, in dem wir das Spiel mit all seinen Konsequenzen durchschauen, ist ja schon eine Menge gewonnen, oder?
Zum Enneagramm: Ich kenne das Gefühl beim Studium des Enneagramms, ein Gemisch aus mehreren Typen zu sein. Richard Rohr behauptet stets, dass wir eindeutig zuzuordnen seien. Achte mal darauf, bei welchem Typ du den größten Widerstand verspürst. Das wird vermutlich dein Typ sein.
Vielen Dank für dein Interesse!

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