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Projektion (1)

Samstag, 15. Oktober 2022


Heute soll es um Projektionen und Projektionsfallen gehen – ein Thema, das man im Alltag zuhauf antrifft und das immer wieder für Irritationen und Streit auf der zwischenmenschlichen Ebene sorgt und darüber hinaus die eigene Entwicklung massiv blockiert.

Projektion hat viel mit Eigenblindheit zu tun (siehe auch den Blogeintrag zum Enneagramm). Ich bin blind für mein eigenes Problem und aus dieser Blindheit heraus, aus diesem „Nicht-Wahrnehmen-Wollen“ projiziere ich mein Fehlverhalten auf jemand anderen, dem ich dann im Grunde meine eigenen Fehler vorwerfe. Jesus hat es ganz deutlich auf den Punkt gebracht: „Was siehst du den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst den Balken in deinem eigenen nicht wahr“ (Mt 7,3).

Mittlerweile bin ich auf der Hut, wenn meinerseits Wut und Groll einer Person, einer Gruppe, einer Institution etc. gegenüber im Spiel sind. Da, wo ich wütend mit dem Finger auf jemanden zeige, ist aller Wahrscheinlichkeit nach Projektion im Spiel. Der Psychologe Carl Gustav Jung spricht hier von „Schatten“. Das sind Persönlichkeitsanteile, die uns nicht bewusst sind und die wir, da sie unserem Ideal-Ich nicht entsprechen, verdrängen. Im Volksmund bekannt und meist bezogen auf eine unliebsame gesellschaftliche Gruppe ist dies der sog. Sündenbock, den man nach biblischer Tradition symbolisch mit Sünden beladen in die Wüste schickte.

In der Persönlichkeitsentwicklung ist Achtsamkeit unseren Schatten gegenüber extrem wichtig, zeigen sie uns doch ganz genau, was wir an uns ablehnen. Um jedoch auf allen Ebenen heil zu sein und wahrhafte Selbstliebe praktizieren zu können, helfen uns Projektionen nicht weiter; sie stiften eher Unfrieden. Stattdessen ist es hilfreich, dass wir unsere „dunklen“ Seiten erkennen, sie liebevoll integrieren und uns mit ihnen versöhnen.

Religionen sind sehr häufig gespickt mit Schatten und Projektionen. Sie hängen die Latte in Bezug auf ihre Moralvorstellungen extrem hoch, was in der Regel dazu führt, dass nicht konformes Verhalten verschwiegen und weggedrängt wird. Ein klassisches Beispiel sind die Missbrauchsfälle in der Kath. Kirche als Folge einer überbordenden Sexualmoral und des Zölibats.

Jeder Mensch hat mit Projektionen und Schatten zu tun, und ich kann euch aus eigener Erfahrung – und für mich als Eins im Enneagramm ist es gefühlt noch schwerer als für die anderen Nummern - sagen, dass das zwar nicht immer schmerzfrei abgeht, aber letztendlich unheimlich befreiend ist zu sagen: Ja, so bin ich, mit all meinen guten und weniger guten Eigenschaften. Und genauso akzeptiere ich mich. Dann können Transformation und Heilung geschehen…


Lies hier den zweiten Teil meines Blogs zu Projektionen.


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