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Tear down the (inner) wall

Sonntag, 12. Mai 2024


Heute möchte ich euch den Singer-Songwriter Sebastian Leins mit seiner Band vorstellen.

Sebastian, der sanfte Riese – auch Mister Tall genannt –, hat nicht nur ein wunderbares vielseitiges musikalisches Talent, sondern gleichermaßen den Mut, in seinen Songs die Maske seines Alltags-Ichs zu lüften und den Hörer in die Höhen und Tiefen seines Lebens mitzunehmen und an seinen Sehnsüchten und Freuden teilhaben zu lassen. Es geht also in seinen Songs ganz viel um Ehrlichkeit und Authentizität, um Sich-Berühren-Lassen in Klang und Inhalt.

Angeregt durch meinen aktuellen Besuch in der Bundeshauptstadt, möchte ich euch heute den Titel „I don’t know what to do (Tear down the wall)“ vorstellen. Ronald Reagans Appell aus dem Jahr 1987 "Mr. Gorbatschow, tear down this wall!" ist zu einem geflügelten Wort geworden, nicht nur in Bezug auf den Berliner Mauerfall und das wiedervereinte Deutschland zwei bzw. drei Jahre später, sondern auf Konflikte und ihre Überwindung generell.

So beschreibt Sebastian in seinem Song seinen tiefen Wunsch nach Überwindung von Sprachlosigkeit zweier sich gegenüberstehender Menschen, getrennt durch eine fiktive Mauer, die das Zueinander-Finden beider verhindert. Hör einfach mal rein.

Bild von der Berliner Mauer am Potsdamer Platz
Element der Berliner Mauer am Potsdamer Platz

When I look in your eyes, and I wanna start to speak
Before a word comes out, I begin to feel so weak
(I´ve) got a feeling that makes me hide what I want to say
And I feel so insecure about that (damn) game we play

Refrain:
So won´t you tear down the wall between us and end this (unspoken) fight
Cause I feel lost in the middle of a chain reaction
I feel so small - I feel helpless like a little child
And I just don't know what to do

Can you give me the answer please what shall I do?
Don't know which words to say to get through to you
How can I make you react the way I want you to?
The coldness in your words it makes me feel so blue!

How can I get through to you?
While I´m feeling blue…
It feels (like) I would have to move a mountain!

How can I get through to you?
Do you want it, too?
Or do you laugh at me here in my pain?

Frei übersetzt:
Ich möchte so gerne offen mit dir sprechen, aber da ist etwas zwischen uns, ein bestimmtes Gefühl, das das verhindert. Ich fühle mich so schwach, so unsicher und ich will dieses verdammte Spiel nicht länger spielen.

Refrain:
Willst du die Mauer zwischen uns nicht endlich einreißen und den Kampf beenden? Ein Wort hat das andere gegeben und nun fühle ich mich so klein, so hilflos wie ein Kind. Ich weiß einfach nicht mehr, was ich noch tun kann.

Sag’s mir, was kann ich tun? Wie komme ich an dich heran? Warum reagierst du so? Deine Kälte macht mich unendlich traurig.

Wie kann ich (durch die Mauer) zu dir durchdringen? Möchtest du das auch oder berührt dich mein Schmerz überhaupt nicht?

Zwei Menschen - durch eine unsichtbare Wand, eine Mauer getrennt. Der eine möchte sich mitteilen, der andere macht dicht. Eine nicht untypische Situation, oder? Eigentlich sogar eine Situation wie aus dem Bilderbuch des Ego-Denksystems. (Mir fallen spontan so einige Begebenheiten ein, in denen es mir ähnlich erging…)

Ich weiß nicht, was ich tun kann – so drückt der Songwriter und Sänger seine Verzweiflung aus. Welche Handlungsmöglichkeit habe ich, wenn das Gegenüber ein Gespräch blockiert, vielleicht sogar dauerhaft nicht „einlenkt“, wenn ich die Kontrolle über das Geschehen verliere...?

In unserer üblichen Denke (das ist das, was in der Spiritualität das Ego-Denksystem genannt wird) wünschen wir uns in Konfliktsituationen ein verändertes Verhalten vom Gegenüber, z.B. ein aktives Zuhören, eine Einsicht, einen liebevolleren Umgang, ein Entgegenkommen, einen Vorschlag zur Güte, scheitern jedoch immer wieder auch am uns entgegengebrachten Widerstand. Offensichtlich hat unser Gesprächspartner Gründe für sein Verhalten, auch wenn wir sie nicht nachvollziehen können.

„Was also tun?“, so die zentrale Frage des Sängers.

Wenn wir auf der Ebene des Ego-Denksystems bleiben, ist der (Henry Ford zugesprochene) Rat „Love it, change it or leave it“ eine gute grobe Richtschnur für ein reflektiertes Handeln: Entweder liebe ich das, was ich tue – dann ist alles im grünen Bereich. Wenn ich die Herausforderung, die sich mir stellt, nicht lieben kann, versuche ich eine Änderung herbeizuführen. Und wenn alle Stricke reißen, gehe ich schlussendlich aus der Situation heraus, verlasse sie - auch endgültig, wenn nötig. Selbstredend ist die Entscheidung für eine der drei Optionen nicht immer leicht und will gut durchdacht sein. Hilfreich ist daher z.B. das Praktizieren von The Work von Byron Katie. Ihre Methode hilft, den jeweiligen Sachverhalt auf seinen Wahrheitsgehalt, seine Wirkungen und innewohnenden Projektionen zu überprüfen. (Katies Ansatz hat das wirkliche Potenzial, den nun folgenden Lösungsweg auf der geistigen Ebene vorzubereiten.)

Der spirituelle Ansatz geht andere Wege: Er setzt bei UNS und UNSERER Akzeptanz der Wirklichkeit an, also konkret bei unserer Annahme des Konflikts mit all seinen Blockaden und Mauern – so sehr das auch zunächst schmerzen mag. Er macht seinen Frieden damit, dass die Dinge sind, wie sie eben sind (was übrigens nicht mit Untätigkeit in der Welt zu verwechseln ist, ich komme noch darauf zurück). Er vergibt der Welt ihr So-Sein, weil sie auf Grund ihrer Dualität scheinbar gemacht ist, um immer wieder in Problemen steckenzubleiben. In der Aufgabe des Widerstands, des Recht-Haben-Wollens, im „Hinhalten der anderen Wange“ (Mt 5,39) liegt der Frieden Gottes. Und wenn wir es schaffen, diesen inneren Frieden geistig über uns hinaus auszudehnen zunächst auf unser Gegenüber und letztlich auf die Welt, überwinden wir unsere Mauern der Trennung und kommen in die Einheit, den dauerhaften Frieden, das dauerhafte Glück. Das ist die Königsdisziplin, um die alle großen Weisen der Welt wussten.

Letztlich hat es mit der Entwicklung unseres Bewusstseins zu tun, welcher Weg im Umgang mit Konflikten für uns geh- und machbar ist. Ich selber arbeite sehr gerne mit The Work (vgl. auch meinen vorherigen Blog), bin auch schon aus Situationen herausgegangen, weil ich keine andere Möglichkeit sah. Im Moment übe ich mich zunehmend in der Annahme der Wirklichkeit, was in dem einen oder anderen Fall eine wirkliche Herausforderung ist – und mal mehr und mal weniger gelingt. Und ich denke, so darf es auch sein. Wir dürfen nicht nur der Welt ihr So-Sein, sondern auch uns vergeben, wenn Dinge misslingen, uns dies bewusst machen und immer wieder neu beginnen. Mir ist der Heilige Geist in diesem Prozess eine verlässliche Größe.

Wenn dich Sebastians Song berührt und in dir Lust auf mehr geweckt hat, schau gerne einmal auf seine Website; dort findest du weitere Hörproben und auch Konzerttermine im Raum Bergisch Gladbach.


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Kommentar...

...von Sebastian Leins am 19.05.2024:

Sehr spannend und ganz toll, wie Du meinen Song aus Deinem religiös-spirituellen Blickwinkel betrachtest!
Auch den Brückenschlag zur Politik finde ich klasse: "Mr. Gorbatschow, tear down this wall!" Was für ein interessantes und passendes Zitat in Anspielung auf meinen Songtitel.
Ich könnte mir im Hinblick auf das Überwinden von Konflikten kein besseres Bild als das Bild der Berliner Mauer vorstellen! Wie schwer es doch manchmal ist, Sprachlosigkeit und Konflikte zu überwinden!

Aber: Wir sollten den Glauben an die Möglichkeit der Überwindung von Konflikten nicht verlieren und alles dafür tun, Konflikte im Großen und im Kleinen zu meistern. "Love it, change it or leave it" als Richtschnur klingt für mich sehr passend. Schade natürlich, wenn man in einzelnen Fällen aus einer Situation herausgehen muss. Aber manchmal besser als ein "weiter-so"!
Nicht immer kann man eine Änderung bewirken und schon gar nicht jede Situation "lieben".
Ich kann allerdings versuchen konsequent mit mir selbst im "Reinen zu sein" und dann passt eben manchmal "love it", ein andermal "change it" und ab und an "leave it".

Sehr wünschenswert ist natürlich Dein spiritueller Ansatz, der noch weitergeht. Konsequent den Frieden mit den Dingen (also auch den Konflikten) zu machen klingt toll - zu toll um wahr zu sein oder wahr zu werden? Nein! Wir können das sehr wohl anstreben, im Wissen um unsere eigenen Unzulänglichkeiten.
Und genau, wir können uns immer mal wieder selbst vergeben, wenn es noch nicht so klappt, den Frieden mit Jedem und Allem zu machen. Nicht zuletzt: Es gibt ja auch noch die Vergebung durch Gott – „Gott sei Dank!“

In jedem Fall spiegeln die Ansätze die Du beschreibst ganz wunderbar das wieder, was ich mit dem Song aussagen will - und ich fühle mich mit der Interpretation und den darüber hinausgehenden Gedanken sehr verstanden.

In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern des Blogs sowie den Hörern meiner Musik, dass jeder das Passende für sich aus Text und Musik mitnehmen kann und gewinnbringend auf sich wirken lassen kann.


Antwort von Susanne:

Herzlichen Dank für deine detaillierte Rückmeldung. Ganz besonders freue ich mich, dass du dich durch meine Interpretation verstanden fühlst - so soll es sein. Weiterhin viel Mut und Rückgrat für ehrliche, authentische Liedtexte, die berühren!


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