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Zeit und Spiritualität

Sonntag, 24. September 2023


Aus spiritueller Sicht sind Zeit und Raum die beiden großen Täuscher, die es eigentlich nicht gibt – weswegen in der indischen Philosophie unsere sichtbare Welt als Maya (Sanskrit: Illusion) bezeichnet wird. Bleiben wir beim Phänomen der Zeit: Das, was wir Vergangenheit nennen, ist vorbei; und das, was wir unter Zukunft verstehen, existiert noch nicht, heißt zusammengefasst: Alles geschieht stets im jetzigen Moment. Jedes Ereignis der Vergangenheit war auch damals ein Ereignis des damaligen Augenblicks; und jedes Ereignis der Zukunft wird es, sofern es überhaupt stattfindet, ebenfalls sein - vielleicht ein bisschen vergleichbar mit der Entstehung eines Films aus lauter Einzelbildern, aus lauter Momentaufnahmen.

Dass Vergangenheit und Zukunft illusionäre Ideen sind, zeigt sich auch in einem weiteren Gedankenexperiment: Stell dir den Zeitablauf als Gerade vor, deren eines Ende in Richtung Vergangenheit läuft und deren anderes Ende Zukunft heißt.

lineare Zeitvorstellung

nach "Dahlke/Detlefsen: Krankheit als Weg" (S. 99 und 100)

Das, was wir als Gerade, als Linearität wahrnehmen, existiert in Wirklichkeit nicht, da sich jede Gerade durch die sphärische Krümmung des Raumes zu einem Kreis schließt. So gesehen ist jede „gerade“ Linie im Grunde ein Ausschnitt aus einem Kreisbogen, erscheint uns jedoch durch ihre relative Betrachtung als Gerade. Übertragen auf die obige Zeitachse treffen sich also die beiden Richtungen Vergangenheit und Zukunft im Kreis, werden eins, verschmelzen, so, wie wenn wir bei einem Flug um die Welt unseren Ausgangspunkt wieder erreichen, obwohl wir uns gleichermaßen immer weiter von ihm entfernen.

zirculare Zeitvorstellung

nach "Dahlke/Detlefsen: Krankheit als Weg" (S. 99 und 100)

Auch der große Schriftsteller Hermann Hesse weiß um die Illusion der Zeit und greift das Thema in seinen Werken immer wieder auf. So lässt er seinen Protagonisten Klein in seiner Novelle „Klein und Wagner“ im Erleben des Todes sagen: Wie gut, dass auch diese Erkenntnis nun zu ihm kam, dass es keine Zeit gab. Von allem, was der Mensch begehrt, ist er immer nur durch die Zeit getrennt (vergleiche meine Blogs zu Nahtoderfahrungen).
Ebenso in seiner Dichtung „Siddharta“: Hast auch du vom Fluss jenes Geheimnis gelernt: dass es keine Zeit gibt? (...) Dass es für ihn nur Gegenwart gibt, nicht den Schatten „Vergangenheit“, nicht den Schatten „Zukunft“?

Interessant ist, dass auch die Quantenphysik vorsichtige Aussagen in die gleiche Richtung macht. So formulierte Werner Heisenberg, „dass in ganz kleinen Raum-Zeit-Bereichen, also in Bereichen von der Größenordnung der Elementarteilchen, Raum und Zeit in einer eigentümlichen Weise verwischt sind, nämlich derart, dass man in so kleinen Zeiten selbst die Begriffe früher oder später nicht richtig definieren kann.“ Sie werden aber umso deutlicher, je weiter wir in die gröbere Struktur der Materie eindringen.

Aus all diesen Erkenntnissen ergibt sich für mich:


Wenn diese Themen für dich genauso schwer zu verstehen sind, wie sie es für mich waren, dann ist es hilfreich, die entsprechenden Kapitel (insbesondere das sechste) aus Krankheit als Weg von Dethlefsen/Dahlke, auf die ich mich hier beziehe, noch einmal detailliert zu durchforsten. Wir Erdenbürger sind mit dieser Art des Denkens, das über die uns bekannte Linearität hinausgeht, nicht vertraut. Mitunter hat man das Gefühl, einen Knoten in den Kopf zu bekommen, so verhaftet sind unsere Gehirnstrukturen in unseren gewohnten Denkmustern und so schwer fällt es, neue Denkansätze zuzulassen. Ich kann euch aber versichern, dass sich der Knoten irgendwann löst und die Sicht auf die Dinge freier und größer wird.


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