Meisterin-Eckhardt-Logo Meisterin-Eckhardt-Logo

#OutInChurch (2)

Sonntag, 18. Februar 2024


Marie Kortenbusch und Monika Schmelter sind verheiratet. Ein lesbisches Paar, beide vor ihrem Ruhestand als Theologinnen in der katholischen Kirche als Arbeitgeberin beschäftigt: Marie als Religionslehrerin an einer Ordensschule und Monika, sie gehörte als junge Frau zunächst einem Orden an, arbeitete später in leitender Position bei der Caritas. 40 Jahre haben sie - aus Angst, ihre Arbeit zu verlieren - ihre Beziehung geheim gehalten, eine Kirche der Angst, der Doppelmoral und des Sich-Verstecken-Müssens erlebt. Am 24.1.22 haben sie sich schließlich im Rahmen der ARD-Doku „Wie Gott uns schuf“ öffentlich als lesbisches Paar geoutet und sich zu ihrer Beziehung bekannt.

Marie Kortenbusch hat im vergangenen Jahr ihre Lebensgeschichte niedergeschrieben. In ihrem Buch „Wie Gott mich schuf: katholisch - queer - #OutInChurch“ beschreibt sie ihren eigenen Heilungsweg unter der großen Überschrift „Ich darf so sein“.
Ihr Weg war kein einfacher: Auf der einen Seite ihr unerschütterlicher Glaube und ihre Liebe zur katholischen Kirche, die ihr stets seit jungen Jahren Heimat und Zufluchtsort war, und auf der anderen ihre Liebe zu Monika, ihrer späteren Frau, eine lesbische Liebe, die eben diese Kirche nicht toleriert. In diesem Zwiespalt bewegt sich Maries Leben seit gut 40 Jahren. In einer niederländischen katholischen Basisgemeinschaft findet das Paar Anerkennung und Respekt; 1990 feiern sie dort ihre – inoffizielle – kirchliche Trauung. Im Münsterland, wo sie sich niederlassen, gehen die zermürbenden Heimlichkeiten weiter – zu groß ist die Angst, entdeckt zu werden und in Folge die Arbeitsstelle zu verlieren. Demütigungen und Zurückweisungen gehören zum Alltag, wie etwa die Überprüfung von Seiten der Arbeitsstelle ihrer Frau, ob ihre Beziehung ein öffentliches Ärgernis darstelle. Oder eine Verlautbarung aus Rom, dass homosexuelle Menschen keine tragfähigen Beziehungen eingehen können und ihr Menschsein verfehlen. Stets ist die Maßgabe von oben, die Partnerschaft zu verschweigen, nicht an die Öffentlichkeit kommen zu lassen, selbst dort, wo das Paar auf Verständnis und Wohlwollen trifft. 30 Jahre nach ihrer inoffiziellen Trauung in den Niederlanden heiraten Marie und Monika, nun beide im Ruhestand, schließlich in Deutschland standesamtlich. Immer noch geheim, weil Marie ihre kirchliche Pension nicht aufs Spiel setzen will. Dann der befreiende Schritt in die Öffentlichkeit in beider Coming-Out in der o.g. ARD-Doku. Nun gibt es kein Zurück in die Heimlichkeit, sie sind als Protagonistinnen der Öffentlichkeit bekannt, werden eingeladen zu zahlreichen Interviews und Talkshows. Während Marie und Monika ihre Lebensgeschichten gut aufgearbeitet haben, gebe es in der Kirche, so Marie, noch eine Menge zu tun. Vor allem fehle ihr, dass die Kirche ihr Versagen, ihre Schuld offiziell eingesteht, wie z.B. in der Landessynode der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau im vergangenen Jahr geschehen. Nicht nur das kirchliche Arbeitsrecht müsse sich ändern, sondern die kirchliche Einstellung und innere Haltung LGBTIQA*+-Personen gegenüber.

Monika Schmelter ringt seit jungen Jahren mit ihrer Homosexualität. Sie beschreibt ihre Erfahrungen in „Out in Church. Für eine Kirche ohne Angst“: Als 12jährige habe sie eine Mitschülerin auf der Mädchentoilette zu küssen versucht. Verwirrt bemüht sie sich in der Folgezeit, sich der heterosexuellen Norm der Gesellschaft zu beugen, jedoch ohne Erfolg: Ihr Leben fühlt sich einfach nur „falsch“ an. Eine diffuse Sinnsuche führt sie schließlich ins Kloster, wo es nicht einfacher wird, weil sie sich in Mitschwestern verliebt - und auffliegt. Im Theologiestudium fern des Klosters lernt sie schließlich Marie, ihre spätere Frau, kennen und lieben. Leidenschaftliche Liebesnächte und tiefe Schuldgefühle gepaart mit Angst, Scham und Entsetzen wechseln einander ab. Sie beendet die Beziehung und vertraut sich ihrer Oberin an, die ihr (aufgrund eigener Erfahrungen, wie sie später vermutet) mit Verständnis und Freundlichkeit begegnet. Um die Entscheidung, im Kloster zu bleiben oder nicht, kommt Monika nicht herum. Feministisches Gedankengut macht sie freier und beeinflusst schließlich ihre Entscheidung: Sie kehrt dem Kloster den Rücken und findet zurück zu Marie, die beiden heiraten fern der Heimat. Auch ihr Theologiestudium beendet sie und schreibt ihre Diplomarbeit in feministischer Theologie. Sie beschreibt es als wohl tiefste Kränkung ihres Lebens, dass ihr aufgrund ihres Diplomthemas eine Anstellung im Kirchendienst verwehrt wurde. Die katholische Kirche übe strukturelle und systemische Gewalt gegen Frauen, besonders natürlich gegen Lesben aus, so Monika.
Ihr Leben bleibt ein Eiertanz. Ihr Arbeitgeber, ein kirchlicher Verband, übt direkt und indirekt Druck auf sie aus. Notlüge reiht sich an Notlüge. Sie wird einbestellt, es wird geprüft, ob sie für die Institution weiterhin tragbar ist. Da sie 66 Kilometer von ihrer Arbeitsstelle entfernt wohnt, darf sie unter Auflagen bleiben: ihr Privatleben weiterhin zu verstecken und keinen Queers einen Job zu geben.
Monika ist heute im Ruhestand. Aus Solidarität mit queeren Mitarbeiter/-innen der katholischen Kirche engagiert sie sich mit Herzblut für radikale Reformen der kirchlichen Sexualmoral.

Wenn ihr Marie und Monika miteinander erleben wollt, schaut mal ins SWR-Nachtcafé (ab Min. 38); dort erzählen sie ihre Geschichte in Auszügen.

Es sind gleichermaßen beeindruckende wie schmerzende Lebensgeschichten, zwei von zahlreichen anderen, von LGBTiQA*+-Personen, die sich geoutet haben oder ihre Geschichte noch für sich behalten. Im Übrigen nicht nur in Kirche. Auch außerhalb von Kirche ist die Homophobie allgegenwärtig, umso bedeutsamer das Engagement für LGBTIQA*+-Personen in unserer Gesellschaft. Und wie ich im Blog „Ganz-Sein“ beschrieben habe, stehen diese wiederum für unzählige andere im Abseits Stehende, die aufgrund ihres Frau-Seins, ihrer Nationalität, ihrer Hautfarbe, ihrer Beeinträchtigungen, ihrer Religion, ihrer politischen Überzeugung, einfach ihrer persönlichen Geschichte nicht oder nicht voll integriert werden.
Möge sich das Bewusstsein der Menschen auf unserem Planeten in Liebe weiten. Möge jeder von sich sagen können und dürfen: „Ich darf so sein.“


Schreib einen Kommentar!


           Zum aktuellen Blog zurück