Integrales GELB
Sonntag, 25. Februar 2024
Im Herbst des vergangenen Jahres habe ich mehrere Blogeinträge zu Stufen des Bewusstseins und zur Entwicklung des Gottesbegriffs veröffentlicht. Nicht nur mit Blick auf die letzten Blogs, sondern auch auf die aktuelle politische Debatte um die Werte unserer Demokratie ist es sehr hilfreich, das Modell der Spiral Dynamics hinzuziehen, um zu beschreiben und zu verstehen, was in unserer Gesellschaft im Allgemeinen und in Kirche im Speziellen geschieht. (Um den aktuellen Blogeintrag einordnen zu können, macht es Sinn, dir die markierten alten Blogs noch einmal vorzunehmen.)
Das Modell der Spiral Dynamics geht auf den Psychologen Clare Graves zurück und wurde durch den Philosophen Ken Wilber einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dem Prinzip des Stufenmodells folgend strukturiert es individuelle und gesamtethnische Bewusstseinsentwicklungen verschiedener Disziplinen in großer Klarheit und macht so deutlich, dass sich die traditionelle, konservative Amtskirche im Bereich des spirituellen Bewusstseins auf einer eher niedrigen Stufe befindet – verglichen z.B. mit gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen in unseren Breitengraden, obwohl diese, wie wir aktuell auf der politischen Bühne beobachten können, auch recht weit auseinanderdriften und teils sogar rückläufige Tendenzen aufweisen.
In Bezug auf immer noch weite Teile der katholischen Kirche sind BLAUE, traditionelle Werte vorherrschend; diese bestimmen nicht nur die Lehre der Kirche an sich, sondern auch den Umgang mit ihr (z.B. das Sanktionieren von Regelverstößen zum Erhalt des Systems), wie ihr in den vergangenen Blogs beispielhaft habt lesen können. Die Kirche möchte das Sagen haben und behalten, argumentiert über die Tradition und findet ihr Agieren genau richtig. Die Demokratie und ihr Werteverständnis, die sich ab der ORANGENEN Stufe ausbreiten, sind demzufolge noch nicht wirklich in ihr angekommen, wenn es auch zumindest in Deutschland erste zarte Ansätze gibt, die Hoffnung wecken; die evangelische Schwesterkirche zeigt sich hingegen deutlich progressiver, wenngleich sich auch in ihr konservative Kräfte breitmachen, die wieder in Richtung BLAU tendieren. Zwei Schritte nach vorne, einen zurück – so erleben wir es im Moment auch in Gesellschaft und Politik.
Ken Wilber macht deutlich, dass erst ab der integralen GELBEN Stufe eine Meta-Betrachtung einsetzt, die die Sinnhaftigkeit aller vorherigen Stufen erkennt, sie deshalb integriert, aber gleichermaßen auch transzendiert, da sie die Fragen der jeweiligen aktuellen Stufe nicht mehr ausreichend beantwortet und nach Lösungen außerhalb sucht. Unterhalb von GELB, so kann man sagen, sind wir mehr oder weniger Gefangene unseres eigenen Systems, so fortschrittlich es auch scheinen mag: Wir leben in unserer Blase aus festen Denkmustern und Verhaltensweisen und merken es nicht. Wir halten unsere Art, die Welt zu betrachten, für alleinig richtig und sind nicht in der Lage, den Blick zu weiten und andere Sichtweisen parallel zuzulassen.
Die Vorstellung vom Recht-Haben-Wollen muss unweigerlich zu Konflikten bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen, die wir im Großen und Kleinen allerorts beobachten können. Umso interessanter die Ideen des Wilberschen Stufenmodells, dass es auch anders geht: Die Weitung des menschlichen Bewusstseins ab GELB lässt unterschiedliche Wahrnehmungen der Welt zu und hält Widersprüche gut aus, was unweigerlich zu äußerem und innerem Frieden führen muss und Angst wie von selbst in Liebe verwandelt. Der scheinbar ewig währende Teufelskreis KANN also durchbrochen werden.
Die Erkenntnisse des Stufenmodells waren für mich DAS Aha-Erlebnis des gesamten letzten Jahres; wenn du mehr darüber erfahren möchtest, lade ich dich herzlich zu meinem Vortrag in der VHS-Lüdenscheid ein.
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